Also ich verstehe Deinen Beitrag jetzt gut
Und ich kann mir bei Deiner Beschreibung auch gut vorstellen, was Du meinst. Ich find es übrigens interessant, was Coleman in dem von Anil Prasad erwähnten Interview über die Zusammenarbeit mit Rappern sagte. Ich hab versucht, es zu übersetzen (bin darin aber absolut nicht gut):
„Hip-Hop hat überhaupt nichts damit zu tun. Ich betrachte Musik nicht in Begriffen von Stilen, Bezeichnungen und Kategorien. Das meiste von dem, was die Leute Hip-Hop nennen, mag ich überhaupt nicht. Die Perspektive, von der ich herkomme, ist, dass es in der „schwarzen“ Community – und das ist wirklich allgemein – zwei Ströme der Musik gibt: die mehr verfeinerten [sophisticated] Formen und die weniger verfeinerten Formen. Man findet das auch unter den Leuten, insofern, als es diejenigen gibt, die mehr verfeinert [sophisticated] sind, und die, die weniger verfeinert sind. Das heißt nicht, dass verfeinert notwendigerweise besser ist als nicht verfeinert, aber es zieht einen in der Regel das eine oder das andere an. Ich tendiere dazu, von der verfeinerten Sache angezogen zu werden. Aber weil ich das weiß, kommt mir vor, dass ich mich im Sinne einer Balance auszustrecken muss, mich auf ein Element des anderen, zu dem es mich nicht hinzieht, beziehen muss und es aufgreifen muss.
Eine andere Weise es auszudrücken, ist, dass ich erkennen kann, dass Charlie Parkers Musik verfeinert [sophisticated] ist und ich jedoch auch erkennen kann, dass sie ein Element des Blues hat, der im Allgemeinen nicht verfeinert ist. Ich würde Einwände von Wynton Marsalis und anderen erhalten, aber meine Auffassung ist, dass Blues eine Musik ist, die man Volksmusik nennen kann, in Ermangelung eines besseren Wortes. Und meine Definition von Volksmusik ist, dass sie Musik vom Volk ist – von den gewöhnlichen Leuten. Sie ist Musik von Leuten, die sich mehr mit dem ursprünglichen Impuls der Musik befassen als mit der geistigen Entwicklung der Musik, die das ist, was ich Verfeinerung [sophistication] nenne. Das heißt nicht, dass die Musik simpel ist, denn man kann Stammes-Musik finden, die alles andere als simpel ist. Was Westler übersehen, ist, dass es in Stammes-Musik verschiedene Ebenen der Verfeinerung gibt. Was vielleicht irgendein Kind am Rande des Kreises macht, mag nicht verfeinert sein, aber was der Meister-Trommler macht, kann sehr verfeinert sein. Die Leute nehmen also auf verschiedenen Ebenen Anteil an der Musik, je nach dem, auf welcher Ebene sie zum Anteilnehmen in der Lage sind. Stammes-Musik ist so strukturiert, dass sowohl die Verfeinerten als auch die Nicht-Verfeinerten gleichzeitig Anteil nehmen können. Im Allgemeinen gilt das nicht für die westliche Kultur, wo verfeinerte Musik von Leuten mit verfeinerten Fähigkeiten gemacht werden muss. Niemand kann sich an einem Wagner-Orchester beteiligen, der nicht geübt hat. Und niemand kann sich am John-Coltrane-Quartet beteiligen, auch wenn er bewusst nicht-verfeinerte Elemente in seine Musik eingebracht hat, um die Dinge auszubalancieren – und das ist es, wovon ich das gelernt habe.
So betrachte ich das nicht als Hip-Hop, sondern mehr als den Impuls, der den Hip-Hop entwickelt. Hip-Hop ist der Blues von heute, soweit es mich betrifft. Ich meine nicht, dass er wie der Blues ist, aber er kommt vom selben Impuls, sofern er nicht zu kommerzialisiert ist. Es ist heute schwierig, jemanden zu finden, der von diesem Impuls kommt und nicht versucht, Millionen von Dollars zu machen und Jay-Z zu werden. Das ist die schwierige Sache. Meine Herausforderung war, Musiker aus diesem Bereich zu finden, die nicht verfeinert oder trainiert sind und noch diesen Impuls haben. Ich wollte Leute, die hauptsächlich etwas vom Gefühls-Aspekt her machen, die aber doch an Kreativität interessiert sind und nicht in dieser „Ich möchte der nächste Jay-Z sein“-Idee gefangen sind. Ich brauchte Jahre, um sie zu finden. Ich hatte lange Zeit danach gesucht – schon lange, bevor es irgendwer auf einer CD hörte. Ich hatte Freunde in New York, die wussten, was ich versuchte, und sie sagten: “Du wirst niemals irgendwen finden, der mit diesem Zeug auch nur annähernd wie Du mit einer solchen Sensibilität umgehen kann, denn all diese Typen sind Rock-Schädel.“ Ich hörte das immer wieder. Letztendlich fand ich einige Leute, die Teil einer Gruppe sind, die sich „Opus Akoben“ nennt, und mit denen arbeite ich nach wie vor.
Diese Leute veränderten sich mit der Zeit, seit ich mich mit ihnen zusammen getan hatte. Sie sind heute nicht mehr die selben Typen. Sie sind verfeinerter. Sie sind von uns beeinflusst und vice-versa. … “
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Englisches Original:
Steve Coleman said:
“Hip-hop had nothing to do with it at all. I don’t view music in terms of styles, words, and categories. Most of what people call hip-hop I don’t like at all. So, it wasn’t hip-hop that I was going after. The perspective I’m coming from is that in the black community—and this is really general—there are two streams of music: the more sophisticated forms and the more unsophisticated forms. You also have this in people in that there are those who are more sophisticated or less sophisticated. That is not to say sophisticated is necessarily better than unsophisticated, but you usually gravitate towards one or the other. I tend to gravitate towards the sophisticated thing. But knowing that, I feel like I need to reach out and relate, and grab an element of the other that I don’t gravitate towards for the sake of balance.
Another way of putting it is that I can recognize that Charlie Parker’s music is sophisticated, and yet I can also recognize that it has elements of the blues which, generally speaking, is not sophisticated. I’ll get arguments from Wynton Marsalis and others, but my point of view is that blues is music that you can call folk music, for lack of a better word. And my definition of folk music is that it’s music from folks—regular people. It’s music from people who are more concerned with the original impulse of the music than they are with the mental development of the music, which is what I call sophistication. This is not to say the music is simple, because you can have tribal music that is anything but simple. What Westerners fail to see is that that there are different levels of sophistication in tribal music. What some child on the edge of the circle may be doing may not be sophisticated, but what the master drummer is doing may be very sophisticated. So, people participate in the music at the levels at which they are capable of participating. Tribal music is structured so that both the sophisticated and unsophisticated can participate simultaneously. Generally speaking, that is not true in Western culture, where sophisticated music needs to be done by people with sophisticated skills. Anyone can’t just sit in on a Wagner orchestra that hasn’t practiced. And anyone couldn’t have sat in with the John Coltrane quartet, although he deliberately brought unsophisticated elements into his music to balance things out—and that’s where I learned that from.
So, I’m not looking at this as hip-hop, but rather the impulse that develops hip-hop. Hip-hop is the blues of today as far as I’m concerned. I don’t mean it’s like the blues, but it’s coming from the same impulse when it’s not so commercialized. It’s hard to find someone these days coming from that impulse that isn’t trying to make a zillion dollars and become Jay-Z. That’s the hard thing. My challenge was to find musicians coming from that area who weren’t sophisticated or trained, and still had the impulse. I wanted people who were mainly doing something from a feeling aspect, but were still interested in creativity and not locked into that “I want to be the next Jay-Z” idea. It took me years to find them. I had been trying to do that for a long time—much longer before anyone heard it on record. I had friends in New York who knew what I was trying to do that said “You’re never going to find anyone who can deal with the stuff even close to what you’re dealing with within that sensibility because all them cats are rockheads.” I heard it over and over. I eventually found some people that are part of a group called Opus Akoban and I still work with them.
These people changed over time after I hooked up with them. They’re not the same cats. They’re more sophisticated. They’ve been influenced by us and vice-versa. That’s what always happens. …”
Das gesamte Interview: http://www.innerviews.org/inner/coleman.html